Kategorien
Neues Szene

Die spektroskopische Bestimmung kosmologischer Distanzen und Parameter

Die Betreuung einer Maturaarbeit an der Sternwarte Bülach, mit dem Teilziel, die Rotverschiebung des Quasars 3C273 zu messen, führte zur Frage, wie dieser auf fast drei Nachkommastellen genau gemessene z-Wert noch weiter ausgewertet werden kann. Das Ergebnis dieser Recherche ist in folgender Schrift zusammengefasst worden und zeigt, dass damit relativ einfach der ganze „Zoo“ kosmologischer Distanzen und Parameter bestimmt werden kann:

Spektroskopische Bestimmung kosmologischer Distanzen und Parameter

Spectroscopic Determination of Cosmological Distances and Parameters


Im Juni 2019 erfolgten in Bülach die Aufnahmen mit dem Ritchey Chrétien-Astrografen Pro RC 360 von Officina Stellare und dem Spaltspektrografen DADOS von Baader Planetarium. Neben der Maturandin Luana Mark (Kantonsschule Hohe Promenade, Zürich) waren Stefan Meister, technischer Leiter der Sternwarte, Patricia Otero, Leiterin der Fachgruppe Spektroskopie, sowie der Autor unterstützend tätig.

v.l.n.r: Patricia Otero, der Autor, Luana Mark, Stefan Meister

Die Spektren wurden mit dem DADOS Spektrografen und der Kamera Atik 314+ aufgezeichnet. Bei einer scheinbaren Helligkeit des punktförmig erscheinenden Objekts von mv ≈ 12,8 waren zwei Aufnahmen mit einer Exposition von je 30 Minuten, im 2×2 Binning Mode erforderlich. Die Datenreduktion und Auswertung erfolgte mit der Freeware IRIS und Visual Spec, sowie der Rspec Software, welche die Kantonsschule noch vor diesem Termin angeschafft hatte. Als bewährte Eichlichtquelle diente ein modifizierter Glimmstarter, dessen angeregte Gasfüllung He-, Ne- und Ar Emissionen erzeugt.

Der z-Wert  –  Das universelle Distanzmass der Rotverschiebung

Der z-Wert wurde hier mit Visual Spec am Gauss Fit der stark verbreiterten Hβ Emission auf praktisch drei Nachkommastellen genau gemessen. Diese Signatur erscheint im kalibrierten Spektralprofil von 3C273 bei einer Wellenlänge von λ = 5629.7 Å und ist somit gegenüber der Ruhewellenlänge von λ0 = 4861.3 Å um den stattlichen Betrag von Δλ = 768.4 Å rotverschoben! Der z-Wert von 0.158 ergibt sich mit folgender, einfachen Formel, welche eine herausragende Rolle bei der Vermessung des Universums spielt.

Dieses Mass ist für kosmologisch relevante Distanzen, d.h. ab mehreren 100 Mio. Lj, die einzige Messgrösse, welche direkt verwendet werden kann und weder Modelle noch Korrekturen erfordert. Der z-Wert erlaubt dadurch einen unmittelbaren Entfernungsvergleich zwischen verschiedenen Objekten und ist in diesem Kontext das meistverwendete Distanzmass in wissenschaftlichen Publikationen. Er hat aber den gravierenden Nachteil, dass es sich weder zu Distanzen noch zu Zeitabschnitten proportional verhält.

Zudem erfüllt z eine Schlüsselrolle, wenn mit kosmologischen Modellen, oder entsprechenden Berechnungstools, andere Arten von Distanzmassen bestimmt werden sollen. Die Extremwerte von z sind von kosmologischer Bedeutung. So bedeutet z = 0 die Gegenwart und z = ∞ der „Urknall“.

Distanzschätzung mit dem Hubble Lemaître Gesetz

Anschliessend wurde mit dem z-Wert die Eigendistanz zu 3C273 mit dem historisch bedeutenden Hubble Lemaître Gesetz abgeschätzt. Dies ist kein komplexes, kosmologisches Modell, sondern nutzt den von Lemaître und Hubble empirisch ermittelten, linearen Zusammenhang zwischen der spektroskopisch gemessenen Radialgeschwindigkeit vr und der photometrisch ermittelten Distanz DHL in [Mpc]. Die sog Hubblekonstante H(0) fungiert hier als Proportionalitätsfaktor und c ist die Lichtgeschwindigkeit.

Mit dem z-Wert von 0.158 und H(0) von 67 km s-1 Mpc-1 ergibt dies ca. 707 Mpc oder 2.3 Mrd. Lj.

Heute ist klar, dass die Anwendung des linearen Hubble Lemaître Gesetzes nur innerhalb eines Radius von einigen 100 Mio. Lj zulässig ist, was auch dem damals möglichen Beobachtungsradius entsprach. Bei der vergleichsweise noch „bescheidenen“ Entfernung von 3C273 wird diese Distanz bereits um den Betrag von 85 Mio. Lj oder knapp 4% überschätzt. Gegenwärtig werden jedoch z-Werte >10 gemessen, entsprechend Distanzen von >12 Mrd. Lj. was mit einer kosmologisch bedingten Raumexpansion kaum vorstellbarer Geschwindigkeit verbunden ist. Relativ dazu erscheint die Eigenbewegung der Galaxien von ~einigen 100 km/s als vernachlässigbar klein und auch heliozentrische Korrekturen werden irrelevant. Die Distanzbestimmung erfordert in solchen Bereichen zwingend kosmologische Modelle.

Weitere Auswertung des z-Wertes

Im Internet sind online sog. „Cosmologic Calculators“ verfügbar, welche auch Amateuren kosmologische Berechnungen ermöglichen. Die eingangs erwähnte Schrift zeigt u.a.

  • Einen Kurzbeschrieb des ΛCDM Modells, der Basis dieser Berechnungstools
  • Die Bestimmung und Anwendung des kosmologischen Skalenfaktors a
  • Weitere kosmologische Distanzmasse wie Eigendistanz DP, Mitbewegte Distanz DC, Lichtlaufzeit DT, Leuchtkraftdistanz DL und Winkeldurchmesser-Distanz DA
  • Ein grafischer Quervergleich zwischen diesen Distanztypen
  • Die zeitliche Entwicklung des Skalenfaktors a(t) und des Hubbleparameters H(t)
  • Der kosmologische Beobachtungs- und Ereignishorizont
  • Die praktische Messung der Rotverschiebung im Spektrum
  • Die Anwendung der Berechnungstools mit Beispielen

 

Von Richard Walker

Als pensionierter Bauingenieur befasse ich mich seit über 50 Jahren mit Astronomie – in den letzten 15 Jahren vorwiegend mit Spektralanalyse. Als Amateurfunker interessiert mich auch die Radioastronomie – im speziellen die Meteordetektion. Daneben erforsche ich noch megalithische Steinsetzungen und analysiere die archäoastronomische Relevanz der Ausrichtung architektonischer Linien